Abschiede sind nie leicht. Manchmal geht ein Mensch zu unerwartet. Mein Opa war zwar fast 80, aber fit, und jeder dachte, der schafft auch noch die 100. Leider war das nicht der Fall. Und so war ich mit meinen Schwestern nach der Trauerfeier in dem Haus, in welchem wir als Kinder so viele schöne Zeiten verbracht haben. Und die Erinnerungen an die Kindheit brachen wasserfallähnlich auf uns ein. Die Kaffeekannensammlung. Die Fliesen im Bad. Die Bücher und Bilder. Spielzeug und der Garten. Es ist, als würde in diesem Haus die Zeit stillstehen, denn irgendwie hat sich nichts verändert. Die Vorhänge sind die Gleichen, das gute Geschirr steht ordentlich in der Vitrine.
Wir finden Unmengen alte Fotos. Mein Opa war in den Sechzigern auch Fotograf. Außerdem war er Kaufmann, arbeitete für eine Spedition, hatte einen richtigen Tante-Emma-Laden, war bis zu seinem Tod noch Imker und Eierlieferant. Seine alte Kamera liegt nun bei mir. Überall sind Reste seiner Arbeitswut, Werkzeuge, Etikettenstempel, Unfertiges und Fertiges. Ein ganzes Leben auf einem Grundstück. Es ist komisch zu wissen, dass dieses Stück Vergangenheit nun bald nicht mehr so da ist. Dieser Ort, an den so viele positive Dinge geknüpft sind. Wir sind fast ein bißchen ehrfürchtig, aber gleichzeitig schmunzeln wir immer wieder über die Entdeckungen, die wir machen, die Groschenromane, die Kiste voller Datteln oder die Telefone, die er irgendwann noch mal zusammenbauen wollte. Und uns fallen so viele Geschichten ein: warum der ausgestopfte Fasan da ist, Honigschleudern in der Küche und kiloweise frischen Honig futtern. Die Geschichte zu Omas durchgeschnittenem Ehering. Opas Lieblingssprüche und Witze. Die Ausflüge in alle Ecken Schleswig-Holsteins und Lebkuchenhaus bauen. Mit Oma Aquarellbilder malen und an ihrem Krankenbett sitzen.
Und wir nehmen dabei Abschied, nicht nur von Opa, auch von Oma, deren Tod schon zehn Jahre her ist, und auch von einem Teil unserer Kindheit.
Ist es richtig, so etwas zu fotografieren und dann auch noch zu veröffentlichen? Ich denke, ja. Auch wenn ich ein bißchen für diesen Schritt gebraucht habe. Diese Fotos sind meine Art, an Opa zu denken. Er muß nicht auf den Bildern zu sehen sein, denn das ganze Haus atmet seine Persönlichkeit. Ich behalte Opa genau so in Erinnerung. Und es ist eine schöne Erinnerung, die gerne auch andere sehen können.