Krebs. Das ist die Diagnose, vor der wohl jeder Angst hat. Bei dem Wort schießen einem sofort die Gedanken durch den Kopf: Wer Krebs hat, verliert seine Haare, liegt im Krankenhaus, leidet schrecklich, stirbt. Jeder kennt jemanden, bei dem es nicht gut ausgegangen ist. Oder der seit Jahren von einem Arzt zum nächsten rennt. Krebs, das große, unheilvolle Mysterium, das jeder kriegen kann, ob du nun nichtrauchender Sportler oder werdende Mami oder Fastfood-liebender Biertrinker bist. Nichts bewahrt dich davor, nicht doch irgendwann beim Arzt zu sitzen und die Worte „es ist Krebs“ zu hören.
Das hier wird ein ziemlich privater Beitrag. Ich habe es neutraler versucht, aber seien wir ehrlich: das lässt sich nicht wirklich neutral halten, wenn man so drinsteckt.
Die Schwester meines Freundes bekam vor kurzem diese Worte zu hören. Rieke ist gerade 30 geworden, voll im Leben, wären da nicht die ganzen seltsamen Krankheitssymptome gewesen, die irgendwie nicht zusammen passten. Nach Wochen der Untersuchungen und Behandlungen stand es dann endgültig fest: Morbus Hodgkin. Lymphknotenkrebs. Mindestens das zweite Stadium, vielleicht auch das dritte oder vierte. Etwas, was niemand hören will. Das Hodgkin-Lymphom ist selten und bösartig, aber gut behandel- und heilbar. Mit Chemo und Bestrahlung stehen die Chancen gut.
Für Rieke bedeutet das jetzt mindestens ein halbes Jahr raus aus dem Job, aus dem vorherigen Leben. Wahrscheinlich noch länger. Rieke ist Köchin, aber so eine Therapie verändert häufig den Geschmackssinn. Ob sie danach überhaupt ihre Arbeit wieder aufnehmen kann, steht in den Sternen. Das ganze Leben verändert sich plötzlich und keiner weiß, wie genau. Es bedeutet auf jeden Fall, ständig im Krankenhaus zu liegen, Medikamente gegen Nebenwirkungen anderer Medikamente zu bekommen und niemanden in die Nähe zu lassen, der erkältet sein könnte. Es bedeutet, bei jeder Veränderung des Körpers sofort panisch zu werden, ob man irgendeines der Gifte nicht verträgt, Angst vor Haarverlust und Angst, niemals Kinder bekommen zu können. Es bedeutet Entscheidungen zu treffen, die man gar nicht treffen möchte, Emotionen zu durchleben, die man nicht haben möchte, Unsicherheiten, Schmerzen.
Nun ist es halt so, wie es ist, die Diagnose lässt sich nicht ändern. Jetzt heißt es kämpfen. Rieke lässt mich dabei sein. Immer, wenn ich sie besuche, kommt die Kamera mit. Manchmal mache ich Fotos, manchmal nicht. Es gibt gute Tage und schlechte Tage; Lachen und Weinen liegen momentan dicht zusammen. Und es ist erst der Anfang. Rieke ist ein starker Mensch, die nichts so leicht umhaut. Erst recht kein Krebs.