Wenn jemand zu dir sagt, er bekomme eine Chemotheraphie, ist das Erste, was man denkt (und meistens auch sagt): Oh, dann verlierst du ja deine Haare!
Tatsächlich ist das nicht immer so. Chemo ist ja kein Einheitsbrei, sondern wird auf jeden Krebs und jeden Patienten individuell eingestellt. Und jeder Mensch reagiert unterschiedlich. Bei Rieke stand die Chance, das die Haare bleiben, bei 50 Prozent. Es hätte also klappen können. Aber kurz nach dem Beginn der Therapie war es soweit, es rieselte Haare. Man versucht es ja mit Humor zu nehmen: einmal die Kurzhaarfrisur schneiden lassen, die man sich nie getraut hat. Und überrascht sein, dass sie einem richtig gut steht. Aber das hilft nur kurz darüber hinweg, dass eines unumgänglich ist: die Glatze.
Wir waren an dem Wochenende zuhause bei Riekes Eltern. Am Abend waren das Haar schon so ausgedünnt, dass man die Kopfhaut sehen konnte. Wenn man probehalber mal an einer Strähne zog hatte man sie schon in der Hand. Es ist ein sehr seltsames Gefühl, wenn Haare sich ohne Widerstand vom Kopf lösen. Wenn man nur noch eine Haarwäsche von der Kahlköpfigkeit entfernt ist wird klar, am nächsten Tag wird kurzer Prozess gemacht.
Ich glaube, für jede Frau ist es eine wahnsinnig große Überwindung, den Rasierer anzusetzen. Die Haare machen einen weiblich, die Frisur ist Teil der Persönlichkeit und des Ausdrucks. Sich davon zu trennen ist unglaublich hart. Es heißt, jetzt gibt es kein zurück, ab jetzt bin ich Krebspatient und jeder sieht es. Rieke stand bestimmt eine Minute mit laufendem Rasierer vor dem Spiegel, bis die erste Strähne fiel. Und dann noch eine. Und noch eine. Wir hatten uns erstmal auf einen Iro geeinigt (ehrlich-wer würde das nicht gerne ausprobieren?) und bis dahin war es auch lustig, aber als dann der Rest dran war, gab es nichts mehr zu lachen. Der Papa rasierte den Hinterkopf, während vorne die Tränen flossen. Aber es gab kein zurück mehr. Ab jetzt sind die Haare weg und es wird Monate dauern, bis sie wieder wachsen können. Immerhin blieben ein paar Wimpern. Und es gibt ja auch Perücken, sogar sehr echt aussehende. Aber etwas fehlt. Und lässt dich nie vergessen, was du bist: krank.